Corona und Sicherheitspolitik

von | 22.03.2020 | Pandemie | 17 Kommentare

Teil 3: Stunde der Trolle?

Ein freier, ungehinderter Austausch an Informationen zählt zu den zentralen Grundlagen offener Gesellschaften. In Krisenzeiten gilt diese Erkenntnis in besonderem Maß. Je seriöser, glaubwürdiger und umfassender der Dialog untereinander, um so höher in der Regel die Resilienz. Aber leider halten sich nicht alle Akteure immer an diese Maxime, sondern unterlaufen sie zum Zweck unterschiedlichster Interessen und Ziele.

Es lässt sich leider die These vertreten: Je schwieriger die Lage, umso mehr schlägt auch die Stunde auch von Halbwahrheiten und Fakes – sei es unbewusst oder gezielt. Auch im Schutze der Anonymität des Netzes wechseln sich dreiste Lügen munter mit populistischen und fragwürdigen „Theorien“ oder Behauptungen ab. Und das Ergebnis? Weitere Verunsicherung der Bevölkerung, verbunden mit fatalem Vertrauensverlust in das Regierungshandeln.

In der Corona-Krise sind derartige Trollaktivitäten täglich zu erleben. Das ist die Rede von vermeintlich außer Kontrolle geratenen oder gar gezielt eingesetzten biologischen Waffen, von künstlich geschürter Panikmache seitens des internationalen Finanzsystems, von einer Antwort der Natur auf die Zumutungen durch den Menschen bis hin zur Strafe Gottes, usw.

Im Bereich der Europäischen Union ist man nun einem Teil dieser Netzaktivitäten nachgegangen und glaubt dabei auch Belege für eine russische Fake-News-Kampagne zu Corona in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich gefunden zu haben. Die heutige Frankfurter Sonntagszeitung (F.A.S.) zitiert aus einem Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in dem von einer „signifikanten Desinformationskampagne von russischen Staatsmedien und Kreml-nahen Plattformen“ gesprochen wird.

Das alles ist Anlass genug, das Thema auch hier bei uns mit Blick auf seine sicherheitspolitische Relevanz breit zu diskutieren. Was sind mögliche (staatliche oder nicht-staatliche) Motive der Trolle? Wie begegnet man Fake News oder Trollstrategien am wirkungsvollsten? Und dabei auch: Wie schafft man generell den Spagat in der aktuellen Lage, einerseits seriös der Bevölkerung den Ernst der Lage zu vermitteln, andererseits aber auch unangemessene Panik zu verhindern?

PS: Die Diskussionen hier in diesem Blog sollen bewusst allen offenstehen. Man muss keineswegs über ausgewiesenes Expertenwissen verfügen, um sich hier verdienstvoll einzubringen. Daher spricht überhaupt nichts dagegen, falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch sehr kurze Kommentare oder nur den einen oder anderen Gedankensplitter bevorzugen. Alles ist willkommen – Hauptsache, es dient einem lebhaften Meinungsaustausch. Es geht um nichts anderes, als Ihnen allen, wenn sie an einem breiten sicherheitspolitischen Dialog interessiert sind, eine Plattform zu bieten! (Und auch die einleitenden Blogimpulse werden daher nun teils etwas kürzer gefasst.)

Kersten Lahl (* 6. Juli 1948 in Bielatal) ist Generalleutnant a.D. des Heeres bei der Bundeswehr und war nach seiner Pensionierung von 2008 bis 2011 Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin. Während seiner Zeit bei der Bundeswehr war Kersten Lahl von 1991 bis 1994 Adjutant und militärpolitischer Berater des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Seit 2012 ist er Vizepräsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und publiziert zu verschiedenen sicherheitspolitischen Themen.

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17 Kommentare

  1. Kersten Lahl

    @ Heinz Gluth
    Zu Ihrer gefälligen Kenntnis: SZ heißt Süddeutsche Zeitung. Das ist eine der beiden größten überregionalen Tageszeitungen Deutschlands.

    Ansonsten stelle ich mit dem Verweis auf den nun wirklich lesenswerten Artikel nur die These zur Diskussion: Die Informationspolitik – oder oft besser gesagt: die Desinformationspolitik – autoritärer Regime dient nicht der Sicherheit der Bürger, sondern stellt im Gegenteil gerade in Krisen wie der aktuellen eine enorme Gefahr dar. In diesem Fall nicht nur für das chinesische Volk, sondern für die ganze Welt. Und diese These verdient auch jenseits aller Bemühungen, sich im Nachgang als Retter und Helfer zu präsentieren, eine vertiefende Erörterung. Punkt.

    Noch eine letzte Bemerkung: Als (übrigens ehrenamtliche) Blogbetreiber in der GSP wissen wir sehr wohl, dass man Trolle eigentlich nicht füttern soll. Strapazieren Sie also bitte unsere Geduld nicht übermäßig. Sie werden keinen Erfolg haben, falls Sie versuchen, unser Diskussionsforum gezielt zu missbrauchen.

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  2. Heinz Gluth

    Herr General Lahl a D. ! Ich kenne SZ nicht ( weiß nicht einmal was das heißt ) Den Verfasser des Berichtes oder wie Sie sagen der Recherche Würde ich gerne mal sprechen . Ich war vom 2.2. bis 28 .2.2020 in Vietnam und Thailand und habe täglich mehrmals die Berichterstattung in den orginal Chinesischen Medien verfolgt . Diese Recherche scheint voller Hass auf das Chinesische Volk zu sein . Ich weiß nur das ALLE Chinesen in dieser Situation sehr Verantwortungsvoll gehandelt haben . Deutschland wäre sicher froh wenn wir in der Bekämpfung der Pandemie so weit wären wie China . Wieviel med. Personal in Deutschland schon gestorben ist , bin ich mir sicher wird das Deutsche Volk nie erfahren . Wenn wir in der Kliniken einmal sehen mit welchen Schutzausrüstungen sich unsere Ärzte und Schwestern behelfen müssen ,so zeigt genau dieses leider das Versagen unser Gesundheitssystem . Genau auf dieses Problem wurden vor wenigen Tagen die Ärzte aus aller Welt in einer Videokonferenz von 3 Chinesischen Ärzten aufmerksam gemacht . Bitte lasst die Hetze und die Verbreitung von Halbwahrheiten in den deutschen Medien . Schluß mit den Krieg an allen Fronten !! Covid 19 reicht der ganzen Welt

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  3. Kersten Lahl

    In unserer Debatte hier geht es darum, wie durch Verschwörungstheorien, Halbwahrheiten und gar gezielte Fake News die Stimmung in Politik und Öffentlichkeit manipuliert werden kann, egal ob gezielt oder unbewusst. Eine Ergänzung fehlt allerdings noch: Ein ähnlicher Effekt ergibt sich, wenn relevante Informationen, an deren Veröffentlichung ein großes Interesse und auch ein humanitärer Anspruch bestehen, von Amts wegen aus diversen Gründen unterdrückt werden. Hierzu jetzt ein Beispiel mit unfassbaren globalen Folgen:

    In der heutigen SZ findet sich dazu eine Recherche, die geradezu gruselig anmutet. Es geht unter dem Titel „Chronik einer Vertuschung“ um den Umgang Chinas mit dem neuartigen Corona-Virus seit dem „Patienten Null“ gegen Mitte November des vergangenen Jahres. Die Spannbreite des Berichts: Vom Löschen aller Beiträge zum Thema Ausbruch der Krankheit in den sozialen Medien bis hin zur Verhaftung der Ärzte, die vor der Epidemie warnen wollten (darunter auch der später an dem Virus verstorbene Arzt Li Wenliang). Noch im Januar – also rund 6 Wochen (!) nach Ausbruch der Krankheit in Wuhan – wurde in China offiziell und gegen besseres Wissen betont, es gebe keine klaren Beweise für eine Übertragbarkeit des Virus von Mensch zu Mensch. Zugleich teilten die chinesischen Gesundheitsbehörden mit, es habe seit dem 3. Januar keine neuen Fälle gegeben und medizinisches Personal sei nicht infiziert – was sich im Nachhinein als Verfälschung der Lage dargestellt hat, weil die Krankenhäuser angewiesen wurden, keine Fälle zu melden, und weil Krankenakten von Covid-19-Patienten nachweislich manipuliert wurden.

    Aber das nur ein kleiner Ausschnitt aus der investigativen, sehr lesenswerten Recherche der SZ, die zeigt, zu welchen medialen Strategien autoritäre Regime fähig sind. Umso mehr fragt man sich jetzt natürlich: Was alles hätte weltweit vermieden werden können, wenn die chinesischen Behörden von Anfang an offen und verantwortungsvoll mit dem Ausbruch der Krankheit umgegangen wären?

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  4. Heinz Gluth

    Guten Abend !
    gerade in dieser Zeit , wo das sterben leider erst begonnen hat ,so hart es auch klingt ,müssen wir uns jetzt doch endlich zusammenfinden . Die vielen ,illegalen Kriege ,wo leider auch deutsche Soldaten beteiligt waren treten bei der jetzigen Kriese fast in die Bedeutungslosigkeit . Den Begriff der illegalen Kriege wird von der UNO und von dem UNO -Sicherheitsrat definiert .
    Wenn wir jetzt nicht endlich unsere Feindbilder verbrennen ,werden wir in diesen Zeiten ( und danach ) ein sehr schweres Leben haben . Russen ,Chinesen und Cubaner helfen Italien und was sagen die deutschen Medien dazu ?? Es tut schon weh , so etwas erleben zu müssen . Dein Freund ,erkennst Du in der Not !

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  5. Ferdinand Heimel

    Darf man überhaupt noch kritische Fragen stellen, ohne dass man als Troll bezeichnet wird? Warum sind unsere Medien außer Servus relativ undifferenziert in der Berichterstattung? Dürfen wir hier kitisch diskutieren, ohne dass man sich (glücklicherweise ohne Gefahr für das Leben) in seinem Wohl beeintrichtigt fühlt, wann man Mittel des rationalen Diskurses einsetzt?

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  6. Wolfgang Krieger

    Da sind wir wieder, immer dann wenn es Probleme gibt die uns Schwierigkeiten bereiten sind meist die anderen schuld.
    der Präsident der RF Putin hat , ach ja seine Trulle ausgesendet. In der EU glaubt man Belege gefunden zu haben wer falsche Nachrichten verstreut. Glaubt man oder weis man?
    Eine seriöse Berichterstattung in unseren Medien wäre da schon nützlich. Ich kenne noch die Berichterstattungen aus der Zeit des Kalten Krieges, da hat sich wenig geändert, schade.

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  7. Heinz Gluth

    Ich denke die ganze Welt hat schon die Bilder aus China im Dezember 2019 gesehen . Hätten dort unsere Militärvirologen diese NATO Übung unterbinden müssen . Aber sicher fällt es allen schwer zuzugeben ,das wir diese Krise völlig unterschätzt haben .
    So leichtfertig kann keiner mit der Gesundheit unserer Soldaten umgehen . Wäre nett wenn sie die Russischen Militärflugzeuge in Italien kommentieren würden . In den Nachrichten habe ich heute nur von der Hilfe der Uniklinik in Leipzig ( Ost-Deutschland ) gehört.

    mfg H. Gluth

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  8. Kersten Lahl

    @ Heinz Gluth
    Vielen herzlichen Dank für dieses Beispiel. Es demonstriert auf wunderbare Weise, wie richtig unsere Mitkommentatorin @ Hanna Aschberg-Last mit Ihrer Auffassung liegt, wenn sie als Handwerkszeug zur richtigen Einordnung von Gerüchten, Halbwahrheiten und Fakes fordert: Einschätzung von Quellen, rhetorische Analyse, Hinterfragen von Argumentationssträngen, Logik, Hermeneutik und Verstand. Es lohnt, sich daran zu orientieren!

    Nicht klar ist mir in diesem Zusammenhang, was Sie mit dem Satz ausdrücken wollen: „Die Verbreitung von COVID-19 wurde dann ja perfekt durchgeführt.“ Es sei denn, Sie möchten damit indirekt ausdrücken, wie vorsichtig man gegenüber gezielten Gerüchten und Fake News umgehen sollte – und seien sie auch noch so abwegig.

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  9. Kersten Lahl

    @ Heinz Gluth
    Hier die gewünschte kurze Antwort: Die Übung Defender-Europe 20 wurde vorzeitig eingestellt. Dies aus Gründen der Verantwortung für die Gesundheit von Soldaten und Zivilbevölkerung. Ein völlig richtiger Entschluss. Für weitere Einzelheiten empfehle ich unter anderem die Lektüre der Webseite des BMVg oder auch unserer eigenen GSP-Startseite, aber auch einen Blick in jede deutsche Tagespresse. Dort finden Sie mit etwas Geduld alle Informationen, die Sie wünschen.

    Mit diesem Blog hier bezwecken wir keine Nachrichtenbörse, sondern ein Forum für eine breite, offene und zugleich natürlich auch seriöse Diskussion.

    Nicht klar ist mir in diesem Zusammenhang, was Sie mit dem Satz ausdrücken wollen: „Die Verbreitung von COVID-19 wurde dann ja perfekt durchgeführt.“ Es sei denn, Sie möchten damit indirekt ausdrücken, wie vorsichtig man gegenüber gezielten Gerüchten und Fake News umgehen sollte – und seien sie auch noch so abwegig.

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  10. Heinz Gluth

    Das Mega -Manöver der USA ( und Nato ? ) geht jetzt wohl doch zu ende . Die Panzerzüge rollen Wieder durch Deutschland .
    Fahren die Defende 2020 Soldaten wirklich alle in Ihre Heimat zurück ? Die Verbreitung von COVID-19 wurde dann ja perfekt durchgeführt . Wo finden die Tests statt und was ist mit den Grenzkontollen .
    Herr Genaral a.D.Kersten Lahl ,das wären doch paar Informationen in Sachen Frieden und Sicherheit wert .
    BITTE kurz und präzise Antworten .
    Danke .
    H. Gluth

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  11. Heinz Gluth

    Sehr geehrter Herr General a.D. Kersten Lahl . Was wissen Sie über die Landung von 9 Russischen Militärflugzeugen in Italien ??

    Wenn das so ist , sollte dringend das Volk informiert werden ! Wieso und warum . Tritt jetzt der Bündnisfall ein . Gibt es hier ein Zusammenhang zum Militärmanöver der Nato mit 28000 US Soldaten an der Russischen Grenze ?
    mfg

    Heinz Gluth

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  12. Hanna Aschbach-Last

    Vielen Dank für den Post! Natürlich sind Expertenmeinungen von unschätzbarer Bedeutung, aber in direkter Gegenüberstellung mit Trollmeinungen würden sie evtl. nicht viel Gehör finden – einen Troll überzeugen zu wollen, wird wohl nicht funktionieren, und wie überzeugt man jemanden, dessen Weltbild von einem Troll bestätigt wird? Ich würde es dennoch nicht schwarz sehen, ganz im Gegenteil: Wenn man an die Demokratie als die bestmögliche Staatsform glaubt, bedeutet das auch, dass man dem Volk einiges zutraut, also auch die Fähigkeit, die nötige Medienkompetenz zu erlernen. Das muss ja nicht in klassischen Bildungszusammenhängen geschehen, die für die Dynamik des Internets zu schwerfällig erscheinen, sondern in anderen, unkonventionelleren Formaten: John Oliver vermittelt als Brite (!) in den USA Medienkompetenz z.B. sehr effektiv ganz nebenbei mit seiner „Last Week Tonight“-Comedyshow, die für viele Amerikaner als kurzweilige und dennoch seriöse Informationsquelle zu einer Zeit fungiert, in der klassische Medien und Politik zunehmend versagen. Ich würde also dafür plädieren, die Energie nicht auf die Widerlegung von Trollen zu lenken, sondern auf die Befähigung zur Entlarvung von Trollen. Dazu gehört wahrscheinlich auch, dass man hinterfragt, warum Trollen so bereitwillig Gehör geschenkt wird: Sie bedienen bestimmte Ängste, Hoffnungen, Ressentiments, Weltbilder, Emotionen und dabei vor allem eines: den Wunsch nach einfachen Antworten zum Umgang mit der vielmals überwältigenden Komplexität unserer Zeit. Der Schlüssel liegt vielleicht in der Entstehung einer gemeinsamen politischen und gesellschaftlichen Kultur, die diese Komplexität und Vielfalt aushält und schätzen lernt, und dabei gleichzeitig akzeptiert, dass man sie niemals ganz erfassen kann.

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  13. Rudolf Horsch

    Das wirksamste Mittel gegen fake-news und Trollaktivitäten scheint mir deren Nichtbeachtung, oder wie es General Lahl in einem vorangegangenen Beitrag bezeichnet hat: „Do not feed the troll“, ihnen sprichwörtlich das Futter zu entziehen.
    Das ist in Krisenzeiten leichter gesagt, als getan. Obwohl wir es bei der aktuellen Pandemie nicht mit einem Krieg zu tun haben, wie sich der französische Präsident Macron kürzlich geäußert hat, ist die Verunsicherung weiter Teile der Bevölkerung vorhanden, wie sie auch in einem Krieg festzustellen, wo ein Großteil der Nachrichten sich widersprechen oder schlichtweg falsch ist, wie bereits Clausewitz in seinem Buch „Vom Kriege“ feststellt. Die Furchtsamkeit der Menschen wird zur neuen Kraft der Lüge und Unwahrheit. Clausewitz weiter:“ In der Regel ist jeder geneigt. Das Schlimme eher zu glauben als das Gute; jeder ist geneigt, das Schlimme etwas zu vergrößern“.
    Noch wissen wir nicht mit Sicherheit, wer die Urheber der fake-news sind.

    Auf alle Fälle sollte jetzt eine offene und ehrliche Informationspolitik der Staatsorgane und Behörden Platz greifen.
    Dem Bürger sei empfohlen, vor allem den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, ruhig Blut bewahren und sich aus (mehreren) seriösen Quellen zu informieren.

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  14. Veronika Reither

    Ich sehe da kein Dilemma.
    Je öfters man die fake News kommentiert oder richtig stellen will schwemmen sie nach oben und erreichen somit eine höhere und längere Präsenz und dadurch Reichweite im Netz.
    Schwierig ist es natürlich zu erkennen ob etwas fake ist oder gut recherchiert. Aber da schließ ich mich meiner Vorrednerin an. Bezugsquellen einschätzen. Meiner Meinung nach ist die Strategie bei fragwürdigen Artikeln im Netz und vor allem im sozial media Bereich dieselbe wie bei Corona: nicht weiter verbreiten und dadurch die Infektionskette unterbrechen. Falsche oder halbwahre Thesen sollte man so hinnehmen und aushungern. Dann verschwinden sie schnell wieder im großen, weiten Internet. „Don’t feed the troll“ Auch wenn es schwer fällt.

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  15. Richard Roßmanith

    „Some men just want to watch the world burn.” In der Tat scheint mir das die Motivation einiger oder velleicht auch der meisten Trolle zu sein. Es gibt aber eine substantielle Anzahl von bestens organisierten und koordiniert arbeitenden Trollen, die die Welt sehr gezielt in bestimmten Teilen in Brand setzen und damit auch eine klare machtpolitische Agenda verfolgen. Gerade in Krisenzeiten wird Unsicherheit und Destabilisierung erreicht, der man genau in diesem Moment begegnen muss, ggf. auch mit rigideren Eingriffen. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass gegenwärtig die Menschen in Deutschland massive Grundrechtseinschränkungen recht klaglos akzeptieren, alle Fragen, die mit der digitalen Selbstbestimmung – also letztlich mit dem Internet – zu tun haben extrem behutsam angegangen werden.

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  16. Kersten Lahl

    @ Hanna Aschbach-Last

    Ich finde Ihre Argumentation sehr überzeugend und im Kern absolut zutreffend. Dennoch würde ich da gern noch mal in zwei Punkten nachhaken. Erstens frage ich mich, ob das von Ihnen völlig zu Recht angemahnte „Handwerkszeug“ (Einschätzung von Quellen, rhetorische Analyse, Hinterfragen von Argumentationssträngen, Logik, Hermeneutik und Verstand) wirklich wünschenswert breit in der Bevölkerung vorhanden sein oder so erworben werden kann, dass eine Art Massenimmunität erreicht wird. Das Problem der Gerüchte und Fake News liegt ja darin, dass nicht unter den Fachleuten, sondern in der allgemeinen Öffentlichkeit gezielte Stimmungsmache mit dort teils fatalen Auswirkungen betrieben wird. Und diese Erkenntnis führt dann zum zweiten Punkt: Wenn die taktisch kluge Antwort heißt „Don’t feed the troll!“, dann müssten diejenigen, die falsche oder halbwahre Thesen kraft ihrer Expertise oder Autorität öffentlich glaubhaft zurechtrücken könnten, sich des Versuches einer Klarstellung wohl besser enthalten. Beide Punkte zusammen ergeben ein Dilemma, zu dessen Lösung eine schlüssige Strategie zu finden schwerfällt. Oder sehe ich das zu schwarz?

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  17. Hanna Aschbach-Last

    Eins der hiermit verbundenen Probleme ist sicherlich der Umstand, dass Motivation und Zielsetzung der ‚Trolle‘ nicht ganz leicht zu eruieren, oder vielleicht häufig gar nicht konkret vorhanden sind. Ich fühle mich da häufig an die Figur des Jokers in Christopher Nolans Film ‚The Dark Knight‘ erinnert, der an einer Stelle sagt: „You know what I am? I’m a dog chasing cars. I wouldn’t know what to do with one if I caught it! I just do things.“, und über den an anderer Stelle gesagt wird: “…some men aren’t looking for anything logical, like money. They can’t be bought, bullied, reasoned, or negotiated with. Some men just want to watch the world burn.” Wenn die Agenda bei manchen Trollen vor allem darin besteht, Zwietracht und Panik zu schüren oder sich daran zu erfreuen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu unterwandern, ohne spezifisches ideologisches oder politisches Ziel, dann ist es auch wahnsinnig schwierig, dagegen vorzugehen, ja die Akteure überhaupt zu identifizieren. Am wichtigsten ist wohl hier der Ausspruch: „Don’t feed the troll!“ So schwer es fällt, ignorieren ist die beste Strategie, denn jede Reaktion ist Wasser auf die Mühlen des Trolls.
    Wie aber auch immer die Motivation aussieht, verhindern lässt sich der Versuch der Einflussnahme im Internet durch Trolle nicht – der Preis, der dafür in den Einschränkungen der Freiheiten des Internets bezahlt werden müsste, ist zu hoch. Es gilt also, den Störfaktor „auszuhalten“ bzw. die Bevölkerung dagegen zu immunisieren, damit Fake News nicht weiterverbreitet werden. Das erste Schlagwort, das dabei immer fällt, ist das der Bildung, ich würde aber im Sinne Kants eher für Aufklärung plädieren, und zwar in der Befähigung zum kritischen Denken. Es geht also m.E. weniger um das konkrete Wissen, dass etwas falsch oder richtig, wahr oder unwahr ist, sondern um das Handwerkszeug, das dem Einzelnen ermöglicht, neue Informationen in glaubhaft oder unglaubhaft einzuordnen. Zu diesem Handwerkszeug gehören Einschätzung von Quellen, rhetorische Analyse, Hinterfragen von Argumentationssträngen, Logik, Hermeneutik und Verstand. Richtig gut gemachte Fake News sind damit auch nicht sicher zu entlarven, aber einem Großteil der im Netz herumschwirrenden Trollversuche ist damit beizukommen.

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Kersten Lahl (* 6. Juli 1948 in Bielatal) ist Generalleutnant a.D. des Heeres bei der Bundeswehr und war nach seiner Pensionierung von 2008 bis 2011 Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin. Während seiner Zeit bei der Bundeswehr war Kersten Lahl von 1991 bis 1994 Adjutant und militärpolitischer Berater des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Seit 2012 ist er Vizepräsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und publiziert zu verschiedenen sicherheitspolitischen Themen.

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