Dass nichts, was wirklich wichtig ist, an mangelnden Haushaltsmitteln scheitern muss, haben wir in all den Krisen der letzten Jahre beobachtet und gelernt.
Geld existiert! Der Staat nimmt Kredite auf – letztlich bei sich selbst. Zur Not kauft die Europäische Zentralbank die Schuldscheine wieder auf.
In der Ukrainekriegs-Krise scheint jetzt plötzlich auch das Geld zu existieren, das die Bundeswehr seit Jahren schon gebraucht hätte, um ihre Bündnisverpflichtungen mit einsatzbereiten, modernen Streitkräften voll erfüllen zu können. 100 Milliarden Euro extra sind ein Befreiungsschlag, mehr als eine Anschubfinanzierung, um – wie der Bundeskanzler es vorgibt – zur stärksten konventionellen Armee in der Mitte Europas zu werden.
Aber die Milliarden aus dem Sonderfonds sind tatsächlich nicht so zusätzlich, wie es auf den ersten Blick aussieht. Sie müssen zunächst einmal Löcher im regulären Haushalt stopfen. Denn trotz Rekordinflation ist das Verteidigungsbudget bei 50 Milliarden Euro eingefroren, keine Steigerung im beschlossenen Etat für 2023, keine Wachstumsperspektive in der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung. Aber Gehälter und Betriebskosten explodieren. Vom Zwei-Prozent-Ziel bleibt Deutschland auch nächstes Jahr (mit vielleicht 1,6 oder 1,7 Prozent vom BIP) weiterhin weit entfernt, die geplanten Zuflüsse aus dem Sondervermögen schon eingerechnet.
Trotzdem steht politisch gewollt wirklich mehr Geld zur Verfügung. Nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar, in der er das Sondervermögen ankündigte, hätte deshalb im Verteidigungsministerium unverzüglich ein Programm zur Ausgabenbeschleunigung entwickelt werden müssen, kurzfristig, mittelfristig, langfristig.
Je schneller das Extra-Geld, sobald der Bundestag es im Juni bewilligt hatte, abfliessen würde, desto grösser die Kaufkraft – und desto grösser die Chance, in der plötzlich von Sofortbestellungen aus aller Welt bedrängten Rüstungsindustrie halbwegs zeitige Liefertermine zu bekommen. Die deutsche Industrie bot an. Und wartet, wie man hört, bis heute. Produktionsslots für Munition blieben ungenutzt. Nahezu nichts, was an die Ukraine abgegeben wurde, ist schon nachbestellt. Die ersten aus dem Sondervermögen finanzierten Grossaufträge werden jetzt wohl FMS-Beschaffungen über die amerikanische Regierung sein.
Das Management der Zeitenwende für die Bundeswehr steht öffentlich extrem in der Kritik. „Quick Wins“ wären nötig. Mit mehr Geld mehr zu beschaffen, schnell, sollte eigentlich kein Zauberwerk sein. Also: Auf auf, im geschlossenen Sprung! Befreit das Beschaffungswesen von seinen Fesseln! Und dann heisst es, für die zwei Prozent zu kämpfen.
Dieser Beitrag erschien ebenfalls als Meinungsbeitrag im sicherheitspolitischen Magazin .loyal des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRdBw).
Bei aller Freude über den 100-Milliarden-Wumms mit dem einiges in der Bundeswehr wieder in Ordnung gebracht werden könnte, zügiges Handeln vorausgesetzt, darf nicht übersehen werden, dass das Sondervermögen eigentlich Schulden sind, die eines Tages getilgt werden müssen. Entweder durch reale Einnahmen, Haushaltsüberschüsse oder durch Inflation, sprich Geldentwertung.
Ob es gelingt, durch eine Steigerung der Kaufkraft mehr Geld für den Staatshaushalt zu generieren, bleibt abzuwarten.
Eine Frage wird auch sein, wie durchhaltefähig die Politik ist, wenn der Forderung nach mehr militärischer Sicherheit die Forderung nach mehr sozialer Sicherheit gegenüber steht?